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Buch: Die Schiffbrüchige

Cover

Lange kann sich Anguille in den Wellen nicht mehr am Benzinkanister festhalten, den sie sich gekrallt hat. Doch sie hat noch viel zu erzählen, von der Leidenschaft und vom Verrat, von Vorace und von Voilà, dem Säufer mit seinen sieben Kindern, von der stillen Tante Tranquille, die erst im letzten Moment ein grosses Familiengeheimnis enthüllt.

Dass das Buch aus einem einzigen Satz besteht, habe ich erst im Nachhinein realisiert. So gebannt folgte ich der mäandernden, frechen und lebensklugen Erzählung von Anguille. Im Kampf gegen das Ertrinken lässt die junge Frau ihr kaum zwanzigjähriges Leben mit einer Intensität Revue passieren, die uns hineinzieht in einen mächtigen Erzählstrom und in das Leben der Fischerfamilien in Mutsamudu, der Hauptstadt der Komoreninsel Anjouan. Anguille wächst mit ihrer Zwillingsschwester Crotale beim Vater Connaît-Tout auf, die Mutter ist bei der Geburt gestorben. Der Fischer Connaît-Tout, der seine mangelnde Bildung dadurch wettmacht, dass er jeden Zeitungsfetzen, den er irgendwo findet, aufliest und dann im «Petit Robert» die Begriffe nachschaut, erzieht seine Töchter streng und schickt sie aufs Gymnasium. Doch spätestens in der Pubertät entgleiten ihm die jungen Frauen. Anguille, bisher die Stillere, Strenge, verguckt sich in den hübschen Fischer Vorace und lässt alles andere fahren. Doch bald muss sie feststellen, dass Vorace ein gewissenloser Frauenheld ist, der sich mit zweifelhaften Freunden umgibt. Sie verlässt ihren Liebhaber und wird, schwanger, vom Vater davongejagt. Doch sie kämpft, entschlossen und durchaus selbstbewusst, für ein besseres Leben für sich und ihr Kind. Sie will nach Mayotte übersetzen. Dort erhofft sie sich eine bessere Zukunft wie so viele ihrer Landsleute, die es immer wieder versuchen, obwohl sie oft wieder zurückgeschickt werden. Doch das Kwassa Kwassa, das kaum seetaugliche, überladene Flüchtlingsboot sinkt. 

Diese Buchbesprechung verfasste Elisa Fuchs für das aktuelle Afrika-Bulletin.