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Buch: Der treue Verstorbene

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Der berühmteste Autor der Kapverden soll in der Hafenstadt Mindelo seinen neuen Roman vorstellen. Doch bevor Miguel Macieira die Bühne betritt, nähert sich sein bester Freund Edmundo, zückt eine Pistole und schiesst ihm ins Herz.

Nach diesem Knall beschreibt Germano Almeida in «Der treue Verstorbene», wie es zur Tat kam. Der 75jährige Anwalt gilt selber als der renommierteste Autor des Landes. Sein Roman besticht durch seine elegante Sprache, den klugen Plot und beissenden Spott. Almeida entfaltet eine Geschichte voller Eifersucht, Sehnsucht, Irrungen und Wirrungen, die zwischen Krimi, Romanze und Satire hin und her pendelt. Er legt frei, wie sehr viele seiner Landsleute von kolonialen Denkmustern und Gefühlen geprägt sind. Der Inselstaat erlangte erst 1975 seine Unabhängigkeit – nach 519 Jahre portugiesischer Fremdherrschaft. Fast alle Figuren des Romans lebten lange in Lissabon. Auch nach ihrer Rückkehr verehren sie die portugiesische Kultur und Sprache – und verschmähen das einheimische Crioulo. Zugleich pflegen sie traditionelle Rollenbilder. Männer stellen ihre Bedürfnisse über die ihrer Frauen. Diese nehmen nur zaghaft ihr Leben in die Hand. So hält es der Mörder für sein gutes Recht, dass seine junge Frau Matilde ausser ihm selbst niemanden in ihr Herz lässt. Auch die neue Elite des Landes hat noch nicht gelernt, den freien Willen der Bürger zu respektieren. Dies führt Almeida in einer furiosen Schlussszene vor. Der ermordete Autor, ein Atheist, wünschte sich im Testament eine Kremierung. Doch Präsident und Premier lassen den Leichnam im Palast des Volkes aufbahren, bis er stinkt. Und der Erzbischof zelebriert eine katholische Erdbestattung, die der Autor so nie gewollt hätte. Der Kolonialismus lässt sich nicht so leicht abschütteln. 

Die Buchbesprechung von Eric Breitinger erschien im aktuellen Afrika-Bulletin.